Wer den Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker als Klavierbegleiter eines Liederabends für sich gewinnt, muss über einen besonderen Draht zu Simon Rattle verfügen. Klar: Mezzosopranistin Magdalena Kožena hat als Rattles Gattin insoweit beste Karten. Als sie in einem Interview vor dem gemeinsamen Liederabend in der Alten Oper Frankfurt frotzelte, sie würde ihm mit besonders langsamen Tempi musikalisch entgegenkommen, hat sie das Miteinander möglicherweise einer gewissen Belastungsprobe ausgesetzt – ganz anders als beim exzellenten Konzert selbst.
Rein musikalisch stand das „immerwährende Lied“ vom Verlust der Liebe am Anfang des weit gefächerten Programms: Ernest Chaussons spätromantische „Chanson perpétuelle“ öffnete das Programm mit französischen Vertonungen von Ravel, deutschen Liedern von Brahms und Richard Strauss, mit Stücken in Koženas tschechischer Muttersprache schließlich. Weit gefächert waren auch die wechselnden Besetzungen: Kožena und Rattle pur gab’s nur in den drei „Liedern der Ophelia“ von Strauss zu hören, mit dem hier nicht bis zur letzten exaltierten Höhe geeigneten und darum in diesem Programmpunkt ausnahmsweise nicht überzeugenden Mezzosopran der 1973 geborenen Sängerin. Weitere Instrumentalisten begleiteten alle übrigen Zyklen und Lieder, der Bratscher Amihai Grosz zum Beispiel die Zwei Gesänge op. 91 von Johannes Brahms, die Kožena so kontrolliert in sich ruhen ließ wie ihre Auswahl französische Lieder. Maurice Ravels drei „Chansons Madécasses“ für Singstimme, Flöte (Kaspar Zehnder), Violoncello (Dávid Adorján) und Klavier gestaltete sie absolut rein und vibratofrei aus.
Wetteifern um höchste Töne
Simon Rattle fügte sich erstaunlich dezent, pianistisch aber erfreulich souverän in die Rolle des Ehemanns am Klavier. In Streichquartett-Begleitung erklangen die fünf Ophelia-Lieder von Johannes Brahms, das Shakespeare-Leitmotiv nahmen auch jene „Three Songs“ auf, die Igor Strawinsky 1953 auf Texte Shakespeares komponiert hat: Mit Flöte, Klarinette und Bratsche ein von Kožena mutig aufgenommenes und behauptetes Wetteifern um die höchsten Töne, die weitesten Intervalle. Mit Kinderreimen („Ríkalda“) von Leoš Janácek, vor allem aber mit ihrer rhythmisch frei ausschwingenden Auswahl von Liedern Antonín Dvoráks, die sie in das „Gute Nacht“ der ersten Zugabe verlängerte, war Kožena schließlich ganz besonders in ihrem musikalischen Element.
Von Axel Zibulski