Wie schön, wenn große Namen sich nicht bloß im Gängigen tummeln, sondern auch das fast Unmögliche möglich machen. Viele Zuhörer kamen in den Großen Saal der Alten Oper Frankfurt wohl vor allem deshalb, um Berühmtheiten des Musikgeschäfts auch einmal hautnah und als Kammermusiker zu erleben: den Opernstar Magdalena Kožená, den Berliner Philharmonikerchef Sir Simon Rattle, beide hausmusikalisch umrahmt von einen erlesenen Musikerfähnlein. So etwas wie eine Familienfeier für beiläufig gut tausend Gäste.
Im Saal waren aber auch die zu sehen, die man als Hardcore-Musikfans der Region kennt. Denn das diesmal sehr spezielle Faible der Musikprominenten gab Gelegenheit, Werken zu lauschen, denen man sonst kaum je im Konzertsaal begegnet, weil die Besetzungen zu ungewöhnlich (und damit unökonomisch) sind und im klassischen Liedrepertoire daher fast nur noch das Klavierlied eine Chance hat.
Das war der Clou dieses besonderen Liederabends, und der zeigte sich schon bei Ernest Chaussons wunderbarem „Chanson perpétuelle“ mit Klavier und Streichquartett, einem bereits beim frühen Debussy heimischen Hymnus. Und in der unübertrefflich lakonischen Delikatesse von Ravels „Chansons madécasses“. Erst recht elektrisierten Leos Janáceks „Rikadla“ (Kinderreime) mit ihren drastisch plärrenden Sprachmelodien und artifiziell grotesken Klarinetten-Ornamenten.
Ein über weitere Programmstrecken eingezogener Shakespeare-Pfeiler brachte mild tropfende Strawinsky-Songs und selten intonierte Ophelia-Klavierlieder von Richard Strauss neben solchen von Brahms. Deren etwas biederere Machart wurde durch eine Transskription des großen Kollegen Aribert Reimann für Singstimme und Streichquartett aufgewürzt. Schließlich nochmals eine dezente Bearbeiterhand (Duncan Ward) für ausgewählte Dvorák-Lieder im vollen Ensemble-Ornat.
Die Sopranistin als Motor
Inmitten dieser Musikerfreunde immer Magdalena Kožená – der derzeit noch weitere Termine in der Alten Oper gewidmet sind – als interpretatorischer Motor, die aufgehellte Mezzosopranistin oder dunkel grundierte Sopranistin. Tatsächlich lässt sie sich kaum in ein Fach einordnen, und in der schwebenden Mitte zwischen allzu kernig-erdenschwer und sopraneskem Spitzentanz siedelte ihre Stimme auch an diesem Abend.
Das ungemein leicht ansprechende Organ zeigte sich vom ersten Moment an willig zu weit ausfahrend kantablem Liniengesang, was beim Chausson eine mühelos ins Fortissimo strömende Schlusssteigerung ergab. Überzeugend die ohne übertriebene Trockenheit erzielte Parlando-Pointierung der Strawinsky-Lieder, für die Sängerin offenbar mehr zärtliche Petitessen als abstrakte Lektionen.
Erwärmte Facetten ihrer Vokalkunst zeigte Kožená insbesondere bei ihrem Landsmann Dvorák, der Schlussphase des Vier-Sprachen-Programms (bei dem die Roben der Künstlerin fast ebenso schnell wechselten wie die Sprachen). Die musikalische Transzendierung eingerechnet, könnte man von fünf Sprachen reden.
Maestro Rattle als Pianist
Auch jeder Instrumentalist hatten Gelegenheit zur Profilierung: Blasmusiker Andrew Marriner natürlich in der stilisierten Janácek-Kindertümlichkeit, die gleich drei Klarinetten erforderte; Bratscher Amihai Grosz vornehmlich bei seinem sonoren Brahms-Accompagnement; mit schönen Aufgaben dann Daishin Kashimoto und Rahel Maria Rilling (Violine) sowie Dávid Adorján (Cello) und Kaspar Zehnder (Flöte). Sie markierten bei Janácek übrigens lustig einen mehrmals schnell auf die Bühne rennenden Kinderchor.
Maestro Rattle am Klavier hielt sich – bei stets zuverlässiger pianistischer Präsenz – im Hintergrund, das Gruppenbild mit leuchtender Dame niemals durch autoritativ-kapellmeisterlichen Einspruch verdunkelnd.
Von Hans-Klaus Jungheinrich