Sie sind berühmt für Ihre Barock-Interpretationen. Wie hat sich Ihr Repertoire mit der Zeit verändert?
Kožená Ich weiß, dass ich in dieser Kategorie eingeordnet war, doch das hat sich, wie ich meine, mit der Zeit geändert. Ich kann nicht die Musik nur einer einzigen Epoche singen, es wäre für mich furchtbar langweilig. Ich brauche das Barock ebenso wie die moderne Musik, ich will vergleichen, die Kenntnisse des einen in das andere übertragen. Vom Anfang meiner Karriere an habe ich mich auch der Musik der jüngeren Epochen gewidmet. Sehr gerne und oft singe ich Werke tschechischer Komponisten, nicht nur Dvoøák, sondern auch die des 20. und 21. Jahrhunderts: Janáèek, Martin, Eben. In den Opernproduktionen kommt für mich jetzt sogar das jüngere Schaffen häufiger vor, und auch in meinen Rezitals kann man Berio, Schostakowitsch, Britten, Wolf, Ravel oder Schulhoff hören, mit einer Swing-Band singe ich sogar die Lieder von Cole Porter.
Sie sind Künstlerin in einem von großen Egos geprägten Geschäft und trotzdem nicht als kapriziös bekannt. Sind Sie trotzdem eine Diva?
Kožená Es hängt davon ab, was Sie unter dem Begriff "Diva" verstehen. Ich habe wirklich keine speziellen Rituale, ich stelle an die Veranstalter keine außergewöhnlichen Ansprüche, ich habe an der Aufmerksamkeit der Medien keinen Gefallen. Falls Sie aber damit meinen, dass ich jetzt in meinem Beruf eine Position habe, in der ich auswählen kann, was ich machen will und mit wem, dann ja, dann bin ich eine "Diva", und das ist mir angenehm.
Ihr Instrument ist Ihre Stimme. Wie viel üben Sie, und wie schützen Sie Ihre Stimme?
Kožená Ich mache täglich Stimmübungen, ich kann aber selbstverständlich nicht so lange üben wie zum Beispiel Pianisten. Andererseits brauche ich viel Zeit für das Lernen der Texte, ich arbeite mit den Libretti in fremden Sprachen und achte darauf, in guter physischer Kondition zu bleiben. Und wie ich meine Stimme schütze? Ich versuche, die Balance zu halten zwischen dem mehr dramatischen Repertoire wie zum Beispiel Mahler, in dem ich in der Stimme mehr Kraft entwickeln muss und bei dem ich mehr Vibrato verwende, und der Barockmusik, die wieder die Beweglicheit der Stimme braucht und sie frisch und jugendlich zu bewahren hilft.
Sie haben mit Ihrem Mann, dem Dirigenten Sir Simon Rattle, drei Kinder, hat das Ihre Karriere und Ihre Lebenseinstellung verändert?
Kožená Es war selbstverständlich eine große Veränderung! In Bezug auf das Arbeitspensum von mir und meinem Mann ist es sehr schwer, das Familienleben mit der Karriere zu verbinden. Ich würde jedoch in keinem Fall etwas daran ändern wollen. Meine drei Kinder erfüllen mich mit einer unglaublichen Energie, sie haben mir einen nützlichen Abstand gegeben und meine Lebensprioritäten deutlich verschoben. Ich kann mir mein Leben ohne meine Familie überhaupt nicht vorstellen.
Kennen Sie die Mosel-Region? Werden Sie Zeit für Sightseeing haben oder die berühmten Rieslinge probieren?
Kožená Die Mosel-Region kenne ich leider nicht so gut, wie ich es mir wünschte, und auch diesmal kann ich nicht länger bleiben. Ich komme zu Ihnen aus Rumänien und stehe vor einer Europa-Tournee mit einer Flamenco-Gruppe mit einem Programm aus der spanischen Barockmusik. Ich freue mich darauf, Ihre berühmten Weine zu kosten. Ich bin in Südmähren geboren, in einer ebenfalls bekannten Weinregion; ein guter Wein bringt mir immer Freude.
Dirk Tenbrock, Volksfreund.de