(Trier) Zwei Weltstars auf einem Konzert des Mosel-Musikfestivals im Theater Trier: Magdalena Kozena singt, ihr Ehemann Sir Simon Rattle applaudiert.
Sie steht auf der Bühne in einem hinreißenden Kleid, vielfarbig und funkelnd wie ihre Stimme. Eine hochdramatische Stimme. Magdalena Kozena Gesang lässt keinen Zweifel daran, welches Unheil sich im Innern des jungen Römers zusammenbraut, der in Georg Friedrich Händels Oper "Giulio Cesare in Egitto" (Julius Cäsar) den ermordeten Vater rächen will.
Gemeinsam mit dem Venice Baroque Orchestra ist die Sängerin mit Werken des barocken Großmeisters zu einem Konzert des Mosel Musikfestivals ins Theater Trier gekommen.
Begleitet wird sie von ihrem Mann, dem Dirigenten Simon Rattle. Sir Simon sitzt mit seinem weltweit berühmten weißen Lockenkopf im Publikum, wird herzlich willkommen geheißen vom designierten Festival-Intendanten Tobias Scharfenberger. Wie alle anderen Anwesenden applaudiert auch Rattle dem Weltstar auf der Bühne. Und doch, allein die Anwesenheit des charismatischen langjährigen Chefs der Berliner Philharmoniker setzt ohne Frage dem Abend ein Licht mehr auf.
Das mögen auch die jungen Leute so sehen, die sich nach dem Konzert mit dem Dirigenten begeistert ablichten lassen. Magdalena Kozena und die venezianischen Musiker haben ein Programm mitgebracht, das perfekt die widersprüchlichen Stimmungen des barocken Menschen und seiner Epoche spiegelt, in der sich tiefste Innerlichkeit und höchste Ekstase, Liebeslust und Todesahnung faszinierend verbinden. Um solche Affekte geht es naturgemäß auch in der Musik.
Kozena ist eine wunderbare Mittlerin dieser Seelenstimmungen. Die tschechische Mezzosopranistin mag keine Spezialistin für Barockmusik sein, obwohl sie auch darin inzwischen ausgewiesen ist. Dafür befreit sie mit ungeheurer Frische, spielerischem Talent und seelischer Energie die barocken Arien von jeder historischen Künstlichkeit und macht sie zum unmittelbaren zwischenmenschlichen Erlebnis. Kozena beherrscht die gesamte gesangliche Rhetorik der Affekte. Mühelos schafft sie die Intervallsprünge wie die Koloraturketten. Ihre schlanke Stimme ist am schönsten, wo sie samtig warm und innig klingt.
Aber sie kann auch in den Höhen der Ekstase funkeln und sprühen oder zornig metallisch hart werden. Als perfekte Verbindung aus Gesang und Gestik ist jede ihrer Arien ein psychologisch fein ausgedeutetes Mini-Drama. Mütterlicher Triumph klingt aus der Arie der Agrippina "Ogni Vento". Hochvirtuos erklingt die Arie des Ruggiero, "Venti turbini" aus "Alcina", zu der die Geigen einen Wirbelsturm entfachen. Als subtiles Stimmungsbild menschlicher Qual, in dem Gesang und Rezitativ abwechseln, erklingt die Klage der Agrippina "Pensieri voi mi tormentate". Zum tief bewegenden Vanitas-Bild wird "Verdi prati" aus "Alcina".
Am Ende siegt auch im Trierer Konzert die Hoffnung mit einem strahlenden "Dopo notte" aus "Ariodante". Mit Orchesterchef Andrea Marcon hat die Sängerin einen Power-Mann und Spezialisten für Alte Musik mitgebracht, der souverän vom Cembalo mit seinen Akkorden das Orchester leitet.
Dynamisch und mit ungeheurer Lust am Spiel musizieren die Venezianer, nicht nur als einfühlsame Begleiter der Sängerin, sondern auch in drei Orchesterwerken Händels, dem Concerto Grosso, Op 3 n.2 HWV 313, das ganz nah an Vivaldi ist, sowie den Concerti Grossi Op 6 n.1, HWV 319 und Op 6 n.4. HWV 322.
Auch in ihnen verbinden sich stille Innerlichkeit und seelenvolle Melodik mit überbordender Lebenslust. Der volle Saal dankt mit minutenlangem Applaus, Bravo-Rufen und "Standing Ovations". Nach dem Konzert tragen sich Simon Rattle und seine Frau sowie Andrea Marcon ins Gästebuch der Stadt Trier ein.